2013 stand ein wichtiger Meilenstein in meinem Leben an: nach 13 Semestern schloss ich endlich mein Elektrotechnik-Studium ab. Zusammen mit einer guten Freundin wollte ich die Abgabe meiner Diplomarbeit gebührend feiern.
Wir entschieden uns für eine vierwöchige Rucksack-Reise durch Costa Rica, Nicaragua und Panama. Die Hin- und Rückflüge waren schnell gebucht, es würde mit Delta Airlines über einen Zwischenstopp in den USA nach San José gehen.
Pflichtbewusst hatte ich mir noch die Homepage der US Border Control angesehen. Nicht mal in Russland brauchte ich ein Transitvisum, dann wird das doch in den USA nicht anders sein?
Auf der Webseite fand ich eine Liste aller Staaten, die kein Visum zur Einreise in den USA benötigen – und da war Deutschland dabei. Klasse! Freudig informierte ich meine Freundin, dass wir uns um nichts mehr kümmern müssten.
Hätte ich die Webseite doch nur ordentlich weitergelesen…

Am Abflugtag stehen wir aufgeregt am Delta-Schalter. Ich hieve meinen Rucksack aufs Gepäckband, während die Mitarbeiterin meine Passnummer ins System eingibt. Plötzlich sieht sie mich ernst an:
Haben Sie kein ESTA beantragt?
Meine Freundin und ich sind verdutzt. Was für ein “ESTA”? Die Dame klärt uns auf, dass wir uns online für die Reisegenehmigung in die USA hätten bewerben müssen. Ohne diese dürften wir nicht an Bord gehen.
Glücklicherweise habe ich meinen Laptop dabei. Noch am Infoschalter von Delta Airlines fahre ich ihn hoch, logge mich ins Flughafen-WLAN ein und rufe die Seite für die ESTA-Bewerbung auf. Meine Freundin gibt ihre Daten ein, schickt das Formular ab, zahlt die Gebühr und erhält auf der Stelle die Genehmigung: “Approved”!
Super, das war ja ein Klacks! Nun bin ich dran. Ich schicke meine Daten ab, doch dann der Schock: meine Genehmigung war “Pending”, also nicht bestätigt. Ich checke den Status im Minutentakt, doch es ändert sich nichts. Der Abflug rückt immer näher.
Nach langen Diskussionen mit dem Bodenpersonal ist klar: man würde mich mit diesem ESTA-Status nicht in den Flieger lassen. Meine Freundin und ich entscheiden schweren Herzens, dass sie alleine voraus fliegen würde.
Ohne zu wissen, ob mein ESTA überhaupt noch bewilligt wird, gehe ich auf’s Ganze und buche meinen Hinflug noch an Ort und Stelle auf den nächsten Tag um – gegen eine satte Umbuchungsgebühr von 500 Euro.
Auf dem Weg zurück nach Hause kann ich es nicht fassen – warum muss das ausgerechnet mir passieren? Was hatte ich verbrochen? Mir kamen Facebook Posts in den Sinn, in denen ich zum Spaß auf Arabisch geschrieben habe. Außerdem habe ich mir ein paar Verschwörungsvideos über 9/11 auf Youtube angesehen. Ob die Amis das mitbekommen haben?

Doch ich habe Glück – etwa 8 Stunden später trudelt endlich die Bewilligung für meinen ESTA-Antrag ein. So stehe ich am nächsten Tag zur gleichen Zeit wieder am Flughafen und darf endlich einchecken. Eine Stunde vor Boarding sitze ich im Wartebereich, als eine Durchsage gemacht wird:
Wir bitten um Ihre Aufmerksamkeit…
Irgendwie wusste ich, was kommt.
Frau Stefanie Schwarz, bitte kommen Sie umgehend zu Gate 16.
Am Schalter klärt mich die Mitarbeiterin auf, dass ich noch einmal eine Sicherheitskontrolle durchlaufen müsse. Ich werde grantig. Was denken die? Dass ich mir im Duty-Free Laden einen Chemiekoffer gekauft habe und mir damit auf dem Klo eine Bombe gebastelt habe?
Auf Nachfrage, was das Ganze soll, meinte die unhöfliche Dame zu mir, ich sei “ganz zufällig” worden. Ja klar!
Oder habe ich jetzt schon Paranoia?
Mein Handgepäck und ich werden nochmal im eigens am Gate aufgebauten Sicherheits-Checkpoint gescannt. Danach muss ich mich in einen abgetrennten Bereich setzen und darf diesen auch nicht mehr verlassen.
Der Vorteil dieser Behandlung als verdächtige Terroristin ist immerhin, dass ich schließlich als Erste in den Flieger nach Atlanta steigen darf. Endlich!

Knappe 11 Stunden später am Flughafen Atlanta. Ich stehe ich unter Hochspannung in der Schlange zur Grenzkontrolle. Auf den Fernsehbildschirmen laufen Nachrichten zum neuesten High-School-Shooting in Colorado. Wenn die mich jetzt einfach so einreisen lassen, wäre das ja wohl zu einfach nach dieser Vorgeschichte?
Und ich sollte Recht behalten: der Grenzbeamte informierte mich nach der Abgabe meiner Fingerabdrücke, dass ich ins Verhör muss.
Ich werde in einen Nebenraum geführt und muss mich erst einmal setzen. Nach ein paar Minuten rief mich ein dicker schwarzer Grenzpolizist auf, um an seinen Schalter zu gehen.
Ich war so übermüdet, aufgewühlt und überfordert mit seinem breiten Südstaaten-Akzent, dass ich kein Wort verstehe und er seine erste Frage dreimal wiederholen muss. Endlich verstehe ich:
Do you have a brother?
Wie bitte? Ist das seine erste Frage, ob ich einen Bruder habe?
- “Ja, habe ich.”
- “Ist er dein Zwillingsbruder?”
- “Äh, nein? Mein Bruder ist 7 Jahre jünger.”
- “Und heißt er Stefan?”
- “… öh, nein.”
- “Verstehe.”
Nach ein paar anderen allgemeinen Fragen zu meiner Reise nach Costa Rica durfte ich gehen. Ich war innerlich kurz vorm Platzen. Kosteten mich diese Schwachsinns-Fragen jetzt 500 Euro und waren der Grund, warum mein ESTA-Antrag nur mit Verspätung bewilligt wurde?
Ich konnte es mir nicht verkneifen und bevor ich den Raum verließ, wandte ich mich nochmal an den Grenzbeamten: “Was sollte das Ganze? Können Sie mir bitte erklären, warum ich ins Verhör musste?”
Der Beamte druckste erst herum, dass er mir das eigentlich nicht sagen dürfte, aber ließ dann in einem Nebensatz doch noch fallen, dass es da wohl einen gesuchten Kriminellen gäbe, der den gleichen Namen und Geburtstag wie ich hätte.
Ich wusste nicht mehr, ob ich lachen oder weinen soll. Irgendwo auf der Welt wurde an meinem Geburtstag also ein Krimineller namens Stefan Schwarz geboren. Sowas kann einem auch nur mit einem Allerweltsnamen wie meinem passieren.
Und selbst wenn ich einen Zwillingsbruder hätte – welche Eltern wären so bescheuert und nennen ihre Kinder dann Stefan und Stefanie?

Die USA waren nach diesem Vorfall erst mal komplett bei mir unten durch, und ich schwor mir sogar, nie wieder einen Fuß in die Land zu setzen.
Wie Du jedoch an meinen Bildern in diesem Beitrag sehen kannst, hat es der Lauf des Lebens anders gemeint: ich arbeite heute in der deutschen Niederlassung einer US-amerikanischen Firma, und musste dementsprechend schon mehrmals beruflich in die Staaten.
Wegen meiner Iran-Reise, die ich in der Zwischenzeit unternahm,musste ich ein 10-Jahres-Visum für die USA beantragen – und habe das überraschenderweise ohne Probleme bekommen. Trotzdem musste bis dato bei jeder einzelnen Einreise wieder ins Verhör und erklären, was ich beruflich mache, und was ich in den Staaten vorhabe.
Anscheinend hat mir mein nicht-existenter krimineller Zwillingsbruder also einen lebenslangen Eintrag in meine U.S.-Immigrations-Akte beschert. Wegen solchen unvorhersehbaren Problemen rate auch heute noch auf meinem Blog davon ab, Flüge mit Zwischenstopp in den USA zu buchen.
1 comment
Hallo Steffi,
Oh man, so ein Pech aber auch!
Wollt beim lesen des Beitrags direkt Fragen wie es dir seit der Iran Reise mit USA Flügen erging. (Wird aber eh zum Ende erwähnt).
War selber 2017 im Iran und bin sehr gespannt wie es bei einer Einreise in die Staaten sein wird.
Also mit einem Verhör rechne ich fix. Wurden bei der Passkontrolle nach Israel, vor zwei Jahren, auch rausgefischt und dazu befragt.
lg Atti