Frauen, die zum ersten Mal in den Iran reisen, bereitet die dort vorgeschriebene islamische Kleiderordnung wahrscheinlich im Vorfeld das größte Kopfzerbrechen.
In diesem Artikel kläre ich deshalb die wichtigsten Fragen, die mir Leserinnen zu diesem Thema seit meiner fünfwöchigen Backpackingreise durch den Iran gestellt haben.
Was ist die islamische Kleiderordnung?
Im Iran gilt die Scharia und damit auch die islamische Kleiderordnung (hijab). Für Frauen heißt das, dass sie in der Öffentlichkeit alle Körperteile außer Hände, Füße und Gesicht bedeckt halten müssen und keine enganliegende Kleidung verwenden sollen. Der Po muss dabei zweimal bedeckt sein.
Wenn Du nun an Gesichtsverhüllungen wie Niqab und Burka denkst, dann liegst Du völlig falsch, denn diese sind im Iran extrem unüblich.
Stattdessen benutzt die Mehrheit der Frauen im Iran, vor allem auf dem Land, einen Tschador: ein halbmondförmiges schwarzes Tuch, das komplett um den Körper gelegt wird und mit einer Hand, mit den Zähnen oder unter den Achseln festgehalten wird.
Soweit zur Theorie – denn in den Großstädten loten junge Iranerinnen die Kleiderordnung bis an ihre Grenzen aus:
Anstatt des Tschadors benutzen sie eine Kombination aus knielangem Mantel und Kopftuch, genannt manto-rusari. Darunter tragen sie enganliegende Hosen und setzen die bunten Kopftücher so weit hinten am Schopf an, dass sie ihren Zweck fast gar nicht mehr erfüllen. Mit starker Schminke und Nagellack halten sich ebenfalls die wenigsten Großstädterinnen zurück.
Die Kreativität, die die Fashionistas aus den Reichenvierteln Teherans bei ihrer Kleiderwahl an den Tag legen, ist bemerkenswert und kann im Instagram-Account Rich Kids of Tehran bewundert werden.
Für das Kopftuch selbst gibt es im Iran mehrere Varianten:
- Das klassische rusari ist ein quadratisches und diagonal gefaltetes Tuch, das unter dem Kinn verknotet oder mit einer Sicherheitsnadel oder einem Clip zusammengehalten wird.
- Deutlich zeitgemäßer ist ein shawl (Schal), der locker über Haar und Schultern gelegt wird.
- An Schulen, Unis und im öffentlichen Dienst ist das maghne’e vorgeschrieben, eine Kopfbedeckung, bei der nur ein Loch für das Gesicht ausgespart ist.
Welche Klamotten soll ich für eine Iranreise packen?
Für das Kopftuch habe ich mir von zuhause ein Paschminatuch mitgenommen und dann vor Ort auf den Basaren schöne bunte Stoffschals gekauft. Man hat bei mir immer ziemlich viel Haaransatz gesehen, aber ich hatte, außer einmal in Esfahan, nie Probleme damit.
Denk auch unbedingt daran, ein Kopftuch mit ins Handgepäck zu nehmen, falls Du per Flugzeug in den Iran reist. Du musst es anlegen, sobald die Maschine iranischen Boden berührt. Wie man das Kopftuch am besten trägt und welche Tricks die Iranerinnen verwenden, verrate ich weiter unten.
Kleidung für die kälteren Monate (Oktober – April) bzw. Norwest-Iran
Da ich im November unterwegs war, habe ich als manto einen hellen taillierten Trenchcoat benutzt, den ich in der Türkei gekauft hatte. Die Farbe sollte gedeckt sein (schwarz, braun, beige, dunkelblau, weiß).
Hosen sollten bis zum Knöchel gehen, aber dürfen ruhig eng anliegen. Ich bin mit einer normalen Jeans bzw. Jeggins für die kalten Regionen und einer schwarzen Stoffhose gut zurechtgekommen. Hier ein paar günstige Outfit-Ideen bei Amazon.
Kleidung für die wärmeren Monate (Mai – September) bzw. Süd-Iran
Touristen genießen etwas mehr Freiheit als die Iranerinnen und dürfen in den wärmeren Monaten statt eines Mantels auch weite, lange Tunikas und Blusen mit 3/4-Ärmeln benutzen. An den touristischen Orten bzw. größeren Städten (Teheran, Esfahan, Shiraz, Yazd, Kashan, Rasht) wirst Du damit, in Kombination mit einer schwarzen, knöchellangen Leggins und Sandalen, keine Probleme haben.
Achte beim Einkauf darauf, dass das Oberteil sich nicht am Busen abzeichnet, keinen Ausschnitt hat (bzw. dieser gut mit dem Kopftuch abgedeckt werden kann) und es mindestens bis zur Mitte der Oberschenkel geht – hier ein paar Beispiele auf Amazon:
In ländlicheren Gegenden und an konservativeren Orten könntest Du über der Tunika dann noch einen leichten Cardigan tragen.
Ich hatte auch eine weite Harems-Hose dabei, aber habe sie ehrlichgesagt fast nie angezogen. In Kombination mit einem Trenchcoat bzw. weiten Oberteil sieht man darin sehr unförmig aus, und ich kam mir darin neben den stets elegant angezogenen Iraner:innen zu “gammlig” vor.
Meine Buchempfehlungen:
- Couchsurfing im Iran: Meine Reise hinter verschlossene Türen
- They would rock: Eine Deutsche alleine im Iran
- Iran Reiseführer vom Trescher Verlag
- Highlights Iran: ein fabelhafter Bildband und Reiseführer
Was muss ich in Moscheen und Schreinen beachten?
Die Innenhöfe der üblichen touristischen Moscheen kannst Du auch auch mit einfachem Mantel und Kopftuch-Schal betreten – also einfach so, wie Du Dich im Iran auch auf der Straße kleidest.
In den heiligen Schreinen musst Du jedoch einen Tschador anlegen, beispielsweise im “Shah Cheragh” in Shiraz oder im “Shah Abdol Azim” in Rey. Am Eingang jedes Schreins gibt es eine Garderobe, wo Du Dir einen entzückenden weißen Tschador im Bettlaken-Stil kostenlos ausleihen kannst. Die Damen in der Gaderobe werden Dir beim Anlegen helfen.
Obwohl ich mich mit dem Tschador total ungeschickt angestellt habe und zum Schluss immer mein ganzes Haar herausgeschaut hat, hat mich niemand schief angeschaut oder ermahnt. Auch die freiwilligen Helfer, die mit ihren Staubwedeln die Menschenmenge lenken und auf die Einhaltung der Kleidervorschrift achten, haben mich nie angesprochen.
Wie erträgt man die Hitze mit Hijab?
Am besten vermeidest du grundsätzlich eine Iranreise in den Monaten Juni bis August. Ich selbst bin im November 2014 durch den Iran gereist und habe alle möglichen Temperaturen zwischen -5°C und +30°C erlebt.
Im Nordiran war es so kalt, dass ich ohne Jacke eh nicht hätte rausgehen können (es lag zum Teil Schnee!). An der schwülen Golfküste war es jedoch im Trenchcoat unerträglich. Ich habe nur noch ein Maxi-Shirt getragen und den Schal so verknotet, dass mein Hals und Nacken frei waren. Das hat sehr viel Kühlung verschafft.
Auf der Haupt-Touristenroute wäre das Outfit völlig ok, aber für diese abgelegene Gegend war es schon etwas gewagt, und so könnte man auf keinen Fall in kleinen Dörfern herumlaufen. Im Wüstendorf Faraj wollte ich in diesem Outfit aus dem Hotel gehen, aber der Rezeptionist hat mich ohne richtigen Mantel nicht rausgehen lassen. Falls Du also im Hochsommer abseits der üblichen Pfade auf dem Land bzw. tief im Süden reisen möchtest, musst Du wohl oder übel leiden.
Was ist das Kopftuch-Geheimnis der Iranerinnen?
Ein Kopftuch zu tragen ist gar nicht so einfach. Knoten haben bei mir nie gehalten und ich musste den Stoff mit einer Stecknadel oder einem kleinen Clip unter dem Kinn festmachen, damit er nicht dauernd herunterrutscht. Dutts und Pferdeschwänze haben zwar geholfen, aber sahen unter dem Hijab ziemlich doof aus.
Glücklicherweise haben mich die iranischen Frauen schnell in ihr Kopftuch-Geheimnis eingeweiht: viele benutzen einen Klips, eine große Haarklammer mit Tüll- oder Stoffpuscheln an den Seiten, durch die das Kopftuch sofort besser hält.
Wenn man den Klips im Nacken feststeckt, gibt er ein schönes Volumen am Hinterkopf, und weiter oben dient er als perfekter Anker für den Schal – er wird nie wieder herunterrutschen! Du bekommst einen Klips in einem der vielen Haar-Accessoire-Geschäfte, die es in iranischen Städten quasi an jeder Ecke gibt.
Kontrolliert die Sittenpolizei auch Ausländerinnen?
In fünf Wochen Iran ist mir die Sittenpolizei (gashte ershad) nie aufgefallen und ich habe auch von keinen anderen Ausländerinnen gehört, die mit ihr konfrontiert wurden.
Ich wurde nur einmal auf dem Hauptplatz von Esfahan von zwei Frauen im Tschador dazu angehalten, meine Haare besser zu bedecken. Sie sahen aus, als würden sie Wache halten, aber ob sie zur Sittenpolizei gehörten, konnte aber auch mein Couchsurfing-Host nicht mit Sicherheit sagen, da sie keine Uniform trugen.
Wenn Dir versehentlich das Kopftuch herunterrutscht, ist ein kurzer Hinweis das schlimmste, womit Du rechnen musst. Dass eine Ausländerin wegen schlechtem Hijab in Gewahrsam genommen wird, gilt als extrem unwahrscheinlich – sowas könnte sich der Iran im Moment politisch gar nicht erlauben, schließlich setzt die Regierung derzeit alles daran, sich zum Westen hin zu öffnen und den Iran als Urlaubsziel zu promoten.
Kann ich geeignete Kleidung vor Ort kaufen?
Das geht natürlich, allerdings würde ich mir den Stress nicht antun wollen, wenn Du eh schon total von neuen Eindrücken erschlagen bist und Dich dann auch noch um Klamotten kümmern musst.
Dass die auf iranischen Basaren verkaufte Kleidung Deinen Geschmack trifft halte ich außerdem eher für unwahrscheinlich. Wenn es also möglich ist, würde ich alles schon vor der Reise besorgen.
Was tragen Iranerinnen zuhause?
In den eigenen vier Wänden gilt die Kleiderordnung natürlich nicht. Falls Du bei Iranern zum Tee oder Essen nach Hause eingeladen wirst, kannst Du ohne Probleme Kopftuch und Mantel ablegen.
Nur strenggläubige Muslima tragen zuhause Hijab, falls sich ein Mann im Haus befindet, der kein enger Familienangehöriger (Ehemann, Vater, Bruder) ist.
Falls Du auf eine Hausparty in Teheran eingeladen wirst, dann mach es wie die Iranerinnen und bringe dein Partyoutfit (Kleid, Rock, Top…) in der Handtasche mit – vor Ort ziehst Du Dich dann einfach um.
Wenn Du vorhast, im Iran bei Einheimischen zu übernachten, würde ich als Pyjama ein T-Shirt mit mindestens knielanger Hose empfehlen, damit Dir auch in konservativeren Familien keine Gedanken machen musst.
Gilt die Kleiderordnung auch in Hotels?
Leider ja. Zumindest 2014 musste man in Hotels außerhalb der Zimmer immer Kopftuch tragen – egal ob man nur schnell etwas in der Rezeption fragen möchte, das Gemeinschaftsbad aufsucht oder zum Frühstück geht. Ich empfand das ehrlich gesagt als sehr lästig.
Aus diesem Grund empfehle ich Dir dringend Couchsurfing im Iran. Du wirst nicht nur unglaublich interessante kulturelle Erfahrungen machen, sondern wirst Dich auch viel wohler und freier fühlen.
Falls Du mehr über meine Couchsurfing-Erfahrung im Iran wissen möchtest, dann lies hier weiter: Couchsurfing im Iran: Meine Erfahrung als Alleinreisende
Fazit & Nachwort
Die islamische Kleiderordnung sollte Dich nicht von einem Trip in den Iran abhalten. Natürlich ist das Kopftuch manchmal nervig, aber die Begegnungen und Erlebnisse, die Du im Iran haben wirst, machen das mehr als wett. Solange Du Dich an die Grundregeln hältst, brauchst Du Dir als Ausländerin keine Sorgen machen, und je näher Du die Reise an den Winter legst, desto weniger wird Dich der Hijab stören.
Als Touristin sucht man sich natürlich freiwillig aus, ob man in den Iran reisen möchte und sich damit zeitweise dieser Kleiderordnung unterwerfen will. Dieser Artikel soll auf keinen Fall den Zwang zum Hijab auf irgendeine Weise verharmlosen, denn natürlich war es ein unbeschreiblich befreiendes Gefühl, das Kopftuch nach fünf Wochen Iran im Flieger nach Hause endlich wieder ablegen zu können. Wenn Du den Kampf der Iranerinnen gegen die Kopftuchpflicht aus erster Hand mitverfolgen möchtest, dann unterstütze die Online-Frauenrechtsbewegung My Stealthy Freedom.
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