“Und, wie war’s auf Kuba?” Jedes mal, wenn mir diese Frage gestellt wird, gerate ich ins Stocken. Gerne würde ich “Total super!” antworten, doch das wäre gelogen.
Meine dreiwöchige Backpacking-Reise durch Kuba war sehr augenöffnend und spannend, aber gleichzeitig anstrengend und frustrierend.
Und damit meine ich nicht die Einschränkungen, die natürlich in einem sozialistischen Staat zu Erwarten sind, wie der Mangel an Waren und westlichem Komfort. Vielmehr störten mich die bizarren Auswüchse, die der Tourismus in Kuba angenommen hat.
Es fällt mir nicht leicht, mich zu einem so beliebten Land negativ zu äußern, aber die Wahrheit ist: viele Reisende, mit denen ich mich auf der Reise unterhielt, waren von Kuba enttäuscht. Meine Freundin ist sogar vorzeitig abgereist.
Damit Du Deine eigenen Erwartungen etwas korrigieren kannst, sind hier die 9 Dinge, die viele auf einer Kuba-Reise nerven:
#1: Die Touristenmassen
Seitdem die USA im Jahr 2013 wieder diplomatische Beziehungen mit Kuba aufgenommen haben, ist eine regelrechte Panik ausgebrochen: alle wollen noch schnell das “alte Kuba” sehen, bevor die Amis das Land “überrennen” und dort bald “an jeder Ecke ein McDonald’s und Starbucks steht”.
Die Ironie an der ganzen Sache: Kuba ist schon längst überrannt. Die paar mehr Amerikaner fallen bei den Massen an europäischen und kanadischen Pauschalurlaubern, Rentnergruppen und Kreuzfahrttouristen kaum auf, die man an so gut wie jeder Sehenswürdigkeit trifft.
#2: Die Schlepper und Abzocker
Ich habe Lateinamerika immer dafür geliebt, dass man sich dort als Tourist nicht mit Abzockern rumschlagen muss und immer ehrlich behandelt wird. Doch nicht so auf Kuba.
Die Jineteros (Schlepper) sind besonders in Havanna und Trinidad eine Plage. Sie verhökern zum Beispiel gefälschte Zigarren, oder schleppen Dich in Bars, in denen Dir zum Schluss eine saftige Rechnung präsentiert wird.
In Trinidad hat sich ein Schwindler sogar als Besitzer unserer Unterkunft ausgegeben und uns in die falsche Pension geführt. Nur durch einen Zufall ist uns der Betrug aufgefallen, und es tat mir unendlich leid für die tatsächlichen Besitzer, und sich sehr um uns gesorgt hatten und einen unnötigen Verdienstausfall hatten.
Diese Abzocken nerven tierisch, und was noch viel schlimmer ist: sie machen einen misstrauisch.
Jedes mal, wenn mich ein Kubaner in einer Touristenzone ansprach, fragte ich mich, ob er mir etwas andrehen möchte oder mich auf sonst irgendeine Weise ausnutzen will.
Wenn man es sonst gewohnt ist, Aufmerksamkeit und Hilfe von Einheimischen ohne Hintergedanken zu bekommen, ist das extrem frustrierend.
In einem Land, in dem der durchschnittliche Monatslohn 20 CUC (=Dollar) beträgt, kann man den Menschen (und besonders den Rentnern) ihre kleinen Gaunereien natürlich nicht verübeln. Jeder muss zusehen, wie er über die Runden kommt.
Aber ganz ehrlich? Diese Abzocker haben mein Geld nicht verdient. Lieber unterstütze ich die vielen, vielen ehrlichen Kubaner, die nicht mit Touristen arbeiten und auch von mir keinen Peso zuviel verlangen.
Wenn ich diesen Menschen davon erzählte, wie die Jineteros die Touristen ausnehmen, waren sie immer sehr bestürzt und haben sich aufrichtig für ihre schwindelnden Landsleute geschämt.
#3: Die Männer… coño!
Warum Kuba so oft als “Traumziel” für alleinreisende Frauen bezeichnet wird, ist mir etwas schleierhaft. Ja, man fühlt sich in Kuba sehr sicher, auch nachts.
Im Vergleich zu Mittel- oder Südamerika ist Kuba geradezu paradiesisch: es gibt in Kuba keine nennenswerten Probleme mit Gewaltdelikten, Gangs, Drogenhandel oder sozialem Elend.
Aber besonders in Havanna wurde ich als Alleinreisende ständig angemacht, zum Teil wirklich derbe. Dazu kommen dann noch die oben erwähnten Schlepper, die einem dauernd irgendwas verkaufen wollen.
An manchen Tagen war ich so genervt, dass ich kurz davor war, dem nächsten, der mich anspricht, eins mit der Handtasche überzubraten.
Bitte nicht falsch verstehen: ich weiß, dass “Piropos” (flirterische Komplimente) in Kuba zur Kultur dazugehören und viele Latinas eher beleidigt wären, wenn sie auf der Straße keine bewundernden Kommentare hören würden.
Ein nettes Kompliment freut auch mich sehr, und natürlich ist vieles auch nur als Spaß gemeint! Anzügliche Pfiffe oder belästigende Kommentare wie “Die würde ich gerne mal f***!” finde ich allerdings nicht mehr lustig.
#4: Das eintönige Essen
Die kubanische Küche ist eigentlich sehr lecker: aus den Grundnahrungsmitteln Fleisch, Fisch, Reis, Bohnen, Maniok, Süßkartoffeln und Kochbananen zaubern die Kubaner viele köstliche Gerichte.
Das Problem ist allerdings, dass Restaurants mit guter & günstiger kubanischer Hausmannskost schwer zu finden sind. Am besten probierst Du einmal ein Abendessen in Deiner Pension (ca. 10-12 CUC), oder frägst die Einheimischen nach “Paladares” (Wohnzimmer-Restaurants).
Für Budget-Reisende gibt es als Alternative die Cafeterías. Die dort verkauften Sandwiches, Pizzas, Spaghetti und Fleischgerichte sind zwar extrem günstig (maximal 1 CUC) und einigermaßen lecker, aber hängen einem dann doch irgendwann zum Hals raus.
→ Hier findest Du meine persönlichen Budget Restaurant Tipps für Kuba!
#5: Die hohen Kosten
Mit 40-50 CUC pro Tag liegen die Ausgaben in Kuba etwa doppelt so hoch als in den Nachbarländern Mexiko, Guatemala oder Nicaragua. Bizarrerweise ist ein All-Inclusive-Urlaub in Varadero günstiger, als auf eigene Faust durch’s Land zu reisen.
Das Problem in Kuba ist, dass man sich als Tourist in einer teuren “Parallelwelt” aus Luxusbussen, Gästehäusern, und Restaurants bewegt, die ein Vielfaches über dem eigentlichen nationalen Preisniveau liegt und nur für die wenigsten Kubaner bezahlbar ist.
Es ist verständlich, dass die kubanische Regierung auf diese Weise sicherstellen will, dass die Touristen möglich viel Geld im Land lassen. Aber für Backpacker, die es sonst gewohnt sind, alles “the local way” zu machen, kann dieser Umstand frustrierend sein.
Die gute Nachricht: es geht auch anders! In Straßen-Cafeteria findest Du Mahlzeiten für 1 CUC, und auch als Tourist kannst Du die kubanischen Transportmittel wie Lastwägen und Sammeltaxis benutzen. Mit diesen und vielen weiteren Kniffen, die ich im Artikel “Kuba Spartipps für Backacker” erkläre, konnte ich mein Tagesbudget auf 20 CUC reduzieren.
#6: Die überbewerteten Sehenswürdigkeiten
Ich bin eigentlich ein Mensch, der ziemlich leicht zu begeistern ist. Doch noch nirgends auf der Welt war ich von Sehenswürdigkeiten so enttäuscht wie auf Kuba. Vieles von dem, was im Reiseführer so toll angepriesen wird, war uninteressant und dann auch noch überteuert und von Touristengruppen überlaufen.
Wegen der Landschaften oder zum „Sehenswürdigkeiten-Abhaken“ braucht man meiner Meinung nach nicht nach Kuba fahren. Orte wie Remedios, Playa Ancón, Salto del Caburní und das Valle de los Ingenios (vor allem der dämliche Touri-Zug) fand ich einen ziemlichen Reinfall. Wenn Du diese ganzen Orte auf Tripadvisor nachschaust, wirst Du aber genügend überschwängliche Bewertungen finden (ich glaube, diese Leute waren alle noch nirgendwo sonst in Lateinamerika 😉 ).
Auch das, was sich in den Altstädten von Havanna und Trinidad abspielt, ist nur noch traurig. All die restaurierten Häuser, Paläste und Kirchen sind natürlich beeindruckend. Aber wenn dort kein echtes Lebens mehr stattfindet, weil die Bewohner an den Stadtrand umgesiedelt wurden und man stattdessen nur noch Touristengruppen, Museen, teure Restaurants und Souvenirgeschäfte vorfindet, dann könnte ich genauso gut in einen Vergnügungspark im Kuba-Stil nach Florida fahren.
#7: ¡No hablo inglés!
Wie in einem Entwicklungsland zu erwarten, wird in Kuba sehr wenig Englisch gesprochen.
Da ich selbst fließend Spanisch spreche, betraf mich das zwar nicht. Aber ich kann gut nachvollziehen, wie frustrierend das Herumreisen für Traveller ohne Spanisch-Kenntnisse sein muss. Denn gerade die netten Begegnungen und aufschlussreichen Gespräche mit den Einheimischen machen die Magie einer Kuba-Reise aus.
#8: Das wechselhafte Wetter
Wer denkt, dass Kuba in der Hauptreisezeit ein heiß-tropisches karibisches Paradies ist, der irrt. Von Dezember bis März ist auch in Kuba Winter und die Kubaner können gar nicht nachvollziehen, was die Ausländer um diese Zeit alle am Strand wollen. Besonders von Januar bis Mitte Februar gibt es im Norden manchmal unangenehme Kaltfronten.
Bei unserer Reise im Februar 2016 war dazu noch ein El Niño-Jahr: die Nächte waren durchgehend kalt (manchmal unter 10 Grad!) und jeder zweite Tag bewölkt oder verregnet. Ein Regenschirm, eine winddichte Jacke und eine warme Decke (auch nützlich für überklimatisierte Viazul-Busse) sollten also in dieser Zeit in Deinem Gepäck nicht fehlen.
#9: Die traurige Realität des Sozialismus
Ich verstehe nicht, wie man die Lebensrealität der Kubaner so romantisieren kann. Das Kuba der schönen bunten Fassaden und hochpolierten Oldtimer ist Touristenzirkus.
Die Realität?
… russische Schrottlauben, die die Städte mit ihren Abgasen verpesten.
… völlig überbevölkerte, vernachlässigte und einsturzgefährdete Häuser in den vermüllten Gassen Havannas.
… Geschäfte mit leeren Regalen – 2018 ging auf der Insel sogar das Brot aus.
… Krankenhäuser, in denen Medikamente fehlen und Einweg-Spritzen wiederverwendet werden müssen;
… Menschen, die Vollzeit arbeiten und mit 20-30 Dollar im Monat auskommen müssen, aber für Dinge wie Milch und Kleidung mehr zahlen müssen als wir in Deutschland. Wer keine Verwandten hat, die aus dem Ausland Geld schicken, muss auf viele Dinge verzichten, die im Rest der Welt selbstverständlich sind.
Und je mehr man nachbohrt, desto mehr Abgründe tun sich auf.
Und gerade der Tourismus sorgt dabei für immer mehr soziales Ungleichgewicht.
Warum sind die Geschäfte der Kubaner leer, aber die Kühlschränke in 5-Sterne-Hotels immer voll?
Warum hat es das Regime geschafft, moderne Reisebusse für Touristen zu beschaffen, aber lässt die Kubaner in Pferdekutschen oder auf der Ladefläche von Lastwägen reisen?
Warum zahlt der Besitzer eines Ladens, der naiven Touristen täglich hunderte Dollar für Zuckerrohrsaft abknöpft, seinen Angestellten trotzdem nur 1 Dollar Lohn pro Tag?
Wenn mir Kubaner Dinge sagten wie „Ich fühle mich diskriminiert in meinem eigenen Land“, fand ich das irgendwann nur noch schwer auszuhalten.
… und trotzdem: Ich liebe Kuba!
Die Kuba-Magie entfaltete sich erst, nachdem ich meinen blöden Reiseplan in die Tonne geschmissen hatte und mich einfach nur treiben ließ.
Als ich einen ganzen Nachmittag lang einem 71-jährigen Mann lauschte, der sich zu mir auf die Parkbank setzte und mir von seinem Leben und der Revolution erzählte.
Als ich ziellos durch die Straßen von Havanna Centro lief und zum illegalen Lotto eingeladen wurde.
Als ich den dämlichen Touristen-Zug im Valle de los Ingenios ohne mich weiterfahren ließ und stattdessen der Einladung eines Zuckerrohrsaft-Verkäufers in sein Haus folgte (Bild oben).
Die vielen interessanten Gespräche mit Anhängern der afro-kubanischen Santería-Religion, mit Musikern in den “Casas de la Cultura”, oder mit Restaurateuren in Havanna.
Die allermeisten Kubaner sind ungemein nett, hilfsbereit, herzlich und lebensfroh.
Das Nachtleben, die Musik und die Tanzkultur in Kuba sind einmalig, und der hohe Stellenwert von Bildung und Kultur ist bemerkenswert. All das macht Kuba so reizvoll und liebenswert.
Deswegen: bitte fahr nach Kuba und mach Dir Dein eigenes Bild!
Ich will Dir mit diesem Beitrag auf keinen Fall Deine bevorstehende Reise versauen, sondern Dir einfach nur einen realistischeren Blickwinkel abseits der üblichen Kuba-Romantik zeigen und Dir helfen, nicht mit falschen Erwartungen an das Land heranzugehen.
Mein Rat für Deinen Kuba-Urlaub:
✓ Vergiss jedes Bild, das Du jemals von Kuba gesehen hast und reise völlig ohne Erwartungen hin.
✓ Versuche, in den weniger touristischen Süden zu fahren.
✓ Nimm Dir genügend Zeit.
✓ Konzentriere Dich nicht zu sehr auf die Sehenswürdigkeiten, sondern lass das Land einfach auf Dich wirken.
✓ Besorg Dir die einheimische Währung “Pesos Cubanos” (mehr dazu hier) und nutze damit die Restaurants, Cafeterias und Transportmittel der Kubaner.
✓ Reise zur Nebensaison (Mai bis Oktober).
✓ Lerne Spanisch und rede mit den Leuten.
✓ Gib Dich als Austauschstudent in Havanna aus (wenn Du entsprechend gutes Spanisch sprichst). Du wirst sofort anders behandelt werden!
Bist du schon mal auf einer Reise enttäuscht worden? Wie war Deine Erfahrung auf Kuba?
Zum Weiterlesen:
Reiseroute Kuba: Sehenswürdigkeiten & Tipps für Deine erste Reise
Kuba auf eigene Faust: Die neusten Infos für Backpacker und Individualreisende
Kuba Spartipps für Backpacker: So erlebst Du Kuba authentisch!